Test Kawasaki W800

Test Kawasaki W800

Back to my Roots

Eine "Kawa" ist grün, laut und immer ein bißchen schneller als der Rest. Ein Image, das man bei Kawasaki seit langem erfolgreich pflegt und das sich in die Köpfe der motorradfahrenden Gemeinde fest eingebrannt hat. Es begann mit hundsgemeinen Dreizylinder Zweitaktern, ging über die legendäre Z900 zur GPZ/ZZR Baureihe und hat sich bis heute fortgesetzt. So war es auch nicht überraschend, daß Kawasaki als bisher einziger japanischer Hersteller die 200 PS Herausforderung der BMW S1000RR angenommen hat.
Kawasaki W800
Dabei ist aber etwas untergegangen, daß man in Akashi nicht nur ein großes Herz für die Testosteron Fraktion hat und nebenbei zeitgeistige Mitteklassemotorräder wie die Versys baut, sondern sich auch regelmäßige Ausflüge in die Geschichte leistet. Es gibt wohl keinen anderen Hersteller, der so intensiv auf diesem Sektor engagiert ist. Mit der Zephyr wurde die Z-Baureihe zitiert, die ZRX 1100/1200 war eine Reminiszenz an die amerikanischen Superbikes der frühen 80er, der hübschen Estrella blieb bei uns nur wegen ihres bescheidenen Hubraums der verdiente Erfolg verwehrt und über die Drifter wollen wir angesichts dieser Verdienste den Mantel des Schweigens breiten.

Ende der 90er erschien dann die W 650. Ein Motorrad, das derart konsequent an die Vorbilder der 60er und 70er Jahre angelehnt ist, daß der Besitzer regelmäßig Komplimente zum tollen Zustands des vermeintlichen Youngtimers erhält. Der Experte erkennt natürlich spätestens auf den zweiten Blick die moderne Scheibenbremse im Vorderrad, aber das ist auch schon fast alles, was sie äußerlich von einem 60er Jahre Motorrad unterscheidet. Die Verkaufszahlen lagen aber hinter den Erwartungen zurück und so kam 2006 mit Euro3 und der Konkurrenz der Zweizylinder Triumphs das Aus für die W650.

Zu früh, wie wir heute wissen. Die Retrowelle nahm gerade Fahrt auf und gepflegte Exemplare erzielen inzwischen Gebrauchtpreise, die auf dem Niveau des damaligen Neupreises liegen. Das konnte auch Kawasaki nicht entgangen sein und Mitte 2010 kamen die ersten Gerüchte über einen Nachfolger auf. Im Februar 2011 stand endlich zum erstenmal eine leibhaftige W800 vor mir.
Sie ist im Grunde nur eine von 675 auf 773 Kubikzentimeter aufgebohrte Version ihrer Vorgängerin mit ein paar geänderten Details und einem Update auf Euro 3. Und das ist gut so, denn es bedeutet, daß fast alle Zubehörteile, die heute für die 650er angeboten werden, auch an die 800er passen.
Der offensichtlichste Unterschied zwischen den beiden ist die Einspritzung. Natürlich ein schwerer Schlag für Nostalgiker, aber wegen der Abgasvorschriften leider unumgänglich. In der Praxis ist die Einspritzung allerdings ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Während die 650er eine relativ lange Warmlaufphase benötigt und in den Bergen auch schonmal an Überfettung leidet, läuft die 800er gleich nach dem Start sauber und die Sensoren passen das Gemisch an jede Veränderung der äußeren Bedingungen an. Ein unschönes Detail ist die fehlende Abdeckung der Einspritzung auf der linken Seite. Aus unerfindlichen Gründen hat Kawasaki rechts eine verchromte Blende davor geschraubt und es links vergessen. Der Zubehörmarkt hat es schon dankbar aufgenommen.

Beim Spritverbrauch ist eine leichte Verbesserung der Werte zu erwarten. Schon die W650 war bei normaler Fahrweise mit knapp 5 Litern nicht übertreiben durstig und die 800er dürfte dank der verschärften Abgasnormen noch etwas darunter liegen. Konjunktiv deshalb, weil ich mir angesichts der lebensfeindlichen Temperaturen, die im Februar in Norddeutschland herrschten, eine ausgiebige Verbrauchsfahrt erspart habe. Der Tank fasst übrigens 14 Liter.

Schauen wir uns nun den Motor etwas genauer an. Er ist nicht nur das optische und technische Sahnestück dieses Motorrads, sondern in Vielem ein krasser Gegenentwurf zu dem, was sonst in dieser Hubraumklasse unterwegs ist. Ein luftgekühlter 4 Ventiler Twin mit einer obenliegenden Nockenwelle, die über eine Königswelle angetrieben wird. Die Königswelle ist technisch vollkommen überflüssig, schadet aber auch nicht und funktioniert absolut problemlos. Vor allem aber sieht sie unverschämt gut aus.
Es geht weiter mit dem Bohrung/Hub Verhältnis. Die 650er war mit 72/83mm ein extremer Langhuber. Auch die aufgebohrte 800er geht mit 77 /83mm noch als langhubig durch. (Zum Vergleich Kawasaki Versys 83/60) Solche Motoren findest du, mit Ausnahme von ein paar Exoten, nirgendwo mehr, denn diese Bauweise hat konstruktionsbedíngt relativ kleine Ventilquerschnitte zur Folge. Die bewirken zwar schon bei niedrigen Drehzahlen hohe Gasgeschwindigkeiten und eine gute Gemischbildung, stehen aber einer hohen Spitzenleistung im Weg.
Der bewusste Verzicht auf PS setzt sich im gesamten Motorlayout fort. Auch die Steuerzeiten der Nockenwelle sind ausgesprochen zahm gewählt. Der Auslassbeginn erfolgt spät und der Einlaßschluss früh. Gegenüber der 650er wurde sogar der Ansaugweg weiter verengt. Zusammen mit einer hohen Schwungmasse ergibt sich ein Motorlauf, den man von dem, was sonst an Zweizylindern unterwegs ist, schon lange nicht mehr kennt. Es gibt wohl keinen anderen aktuellen Motor dieser Bauart, der auch im letzten Gang schon knapp über Standgas so gutmütig und kraftvoll zieht.
Kawasaki W800 Drehmomentkurve
Kurz hinter 2000 knackt er die 60 Nm. Bei 3500 ist dann nochmal ein leichter Anstieg auf 64 Nm zu spüren. Dieses Niveau hält er bis kurz vor 6000. Hier ist auch das Leistungsmaximum von gemessenen 50 PS erreicht (Werksangabe 48 PS). Hinter 6000 fällt die Kurve stark ab und bei 7000 ist endgültig Schluß.
Kawasaki W800 - Leistungskurve
Bei der Spitzenleistung hat Kawasaki offensichtlich auf die 48 PS geschielt, die demnächst die alte 34 PS Regelung für Fahranfänger ersetzen werden. Der Leistungseinbruch oberhalb von 6000 hat jedenfalls nichts mit dem Motor zu tun, sondern ist eindeutig ein mutwilliger Eingriff des Steuergeräts. Der Motor könnte, wie auch der 650er, über 7500 drehen und bei 7000 gut 55 PS produzieren, ohne bei niedrigen Drehzahlen etwas einzubüßen. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, daß sich allzu viele junge Fahranfänger auf dieses Motorrad verirren werden.
Schwamm drüber, denn insgesamt ist das zwar ärgerlich, aber im Alltag auch ziemlich unwichtig. Bei 6000 liegen im fünften Gang immerhin rund 170 Stundenkilometer an, die für den Landstraßenbetrieb ausreichen sollten und es macht sowieso am meisten Spaß, sich zwischen 1500 und 4000 Umdrehungen ziehen zu lassen. Der Laufleistung wird es auch nicht schaden. Schon die 650er war äußerst robust und bei artgerechter Haltung für mindestens 150.000 Kilometer gut. Die 800er wird es ihr sehr wahrscheinlich nachmachen. In diesem Bereich hört Retro erfreulicherweise auf. Wenn ich an meine selige CB 450 K denke, ist es schon erstaunlich, was moderne Fertigung und Materialien hier an Fortschritt gebracht haben.

Das Kapitel Bremsen ist nicht ganz so erfreulich. Die Trommel hinten geht völlig in Ordnung, aber von der vorderen Scheibe war ich unangenehm überrascht. Weil ich die Kiste mit null Kilometern auf der Uhr bekommen habe, dachte ich erst, es würde sich mit dem Einfahren noch bessern, aber viel tat sich nicht. Der Druckpunkt blieb etwas schwammig und die Bremswirkung lasch. Das ist zwar irgendwie auch retro, aber man kann es auch übertreiben. Da schon die 650er dieses Problem hatte, ist sein Fortbestand bei der 800er insofern erstaunlich, als die einfache Lösung schon länger bekannt ist und Kawasaki sie sogar im eigenen Hause hat: Mit den Bremsbelägen der GPZ 1100 wird sie zwar immer noch nicht zum Zweifingerstopper, verzögert aber schon wesentlich besser. Eine (schwarze) Stahlflexleitung könnte dann noch für den klaren Druckpunkt sorgen.

Zum Fahrwerk der W 800 gibt es nicht viel zu sagen. Ein Doppelschleifenrahmen, zwei Federbeine hinten und eine nichteinstellbare 39er Gabel. Wer braucht Klicks? Auch bei den Reifen geht es kaum klassischer - Dunlop TT100. Selbstverständlich in moderner Gummimischung. Vorne ist ein 100er auf einer 19 Zoll Felge montiert, hinten ein 130er auf einer 18 Zöller. Alles so wie früher und herrlich unkompliziert zu fahren, solange du keine Rennen gewinnen mußt. Weil alles aus Metall ist, was nach Metall aussieht, ist sie mit 216 Kilogramm (vollgetankt) zwar kein Leichtgewicht, aber dank der schmalen Reifen und des breiten Lenkers ist davon nur wenig zu spüren. Die Schräglagenfreiheit reicht bei Bedarf aus, ein paar Angebern den Tag zu versauen.
Du sitzt dabei aufrecht.
Kawasaki W800
Was bleibt, ist ein wunderschönes, ursprüngliches Motorrad, das nach heutigen Maßstäben nicht perfekt sein kann - aber in dieser Form einmalig ist. Eine Kawasaki W800 wird niemals einen Vergleichstest gewinnen. Und es ist ihr völlig egal.
Mir auch.

LSL Motorradtechnik GmbH

Flt Tracker LSL Motorradtechnik GmbHEs gibt bereits die ersten Umbauten.

Ein bildschönes Beispiel ist der Flat Tracker von LSL-Motorradtechnik GmbH in Krefeld als zulassungsfähige Strassenversion.

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