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Viertakt Tuning |
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Alles über Tuning von Viertakt-Motoren!
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Ulf Penner |
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Kurzbiografie
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Die Drehmoment - Lüge |
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Hubraum = Drehmoment? |
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Tief im kollektiven Unbewussten der
Motorradfahrer verankert ist die unerschütterliche Gewissheit, daß
ein Motor mit großen Einzelhubräumen "Drehmoment" hat. Alte
Fahrensmänner nicken ergriffen mit dem Kopf, wenn der - inzwischen auch
schon 40jährige - Nachwuchs sagt: "Der Zweizylinder hat zwar nicht
soviel PS wie der Vierzylinder, aber dafür hat er Drehmoment." Jawoll,
der junge Mann hats kapiert. Der Vierzylinder ist eine luftpumpende Drehorgel,
die man im fünfstelligen Drehzahlbereich halten muß, um vorwärts
zu kommen, während der Zweizylinder schon bei niedrigen Geschwindigkeiten
wie die Sau schiebt.
Und jetzt komme ich - nicht als erster - um
zu sagen, daß das alles Quatsch ist.
Wenn man sich etwas gründlicher
mit dem Thema auseinandersetzen will, läßt sich ein bißchen
Theorie nicht vermeiden. Damit die nicht allzu grau wird, versuchen wir es mal
mit zwei jungen Damen. Aus pädagogischen Gründen nehmen wir an, daß
beide sommerlich gekleidet und ansehnlich sind. Nehmen wir weiter an, daß
die eine eher kräftig ist und die andere mehr der zierliche Typ. Die Kräftige
kann 50 Kg tragen, die Zierliche 25 Kg. Damit hätten wir auch schon das
Drehmoment ermittelt. Das der einen ist doppelt so hoch wie das der anderen.
Weil die beiden jungen Damen aber eigentlich Motoren sind, sollen sie nun auch
irgendetwas innerhalb einer gewissen Zeit von A nach B bringen. Dadurch kommt
der zweite Faktor ins Spiel. Die Geschwindigkeit. Nehmen wir an, daß die
50 Kilo Frau 10 Kilometer in einer Stunde laufen kann, die 25 Kilo Frau aber 20
schafft.
Im folgenden Beispiel machen wir jetzt schon den ersten Ausflug ins
wahre Leben. Die Beiden sollen 100 Kilo Kohlen über eine Strecke von 10
Kilometern tragen. Das geht nur, wenn die Kräftige zweimal hin und zurückläuft.
Also vier Mal 10 Kilometer. Dafür braucht sie 4 Stunden. Jetzt kommt die
Zierliche und muß acht Mal 10 Kilometer laufen. Weil sie aber schneller
ist, braucht auch sie nur 4 Stunden. Beide haben alles gegeben und es
geschafft, 100 Kilo Kohlen in 4 Stunden an einen10 Kilometer entfernten Ort zu
schleppen. Die beiden haben also die gleiche Leistung vollbracht, obwohl die kräftigere
der Damen, wir erinnern uns, doppelt soviel Drehmoment hat.
Um das mal auf einen Motor zu übertragen: Auch dessen Leistung
setzt sich aus zwei Faktoren zusammen. Der Kraft (Nm) und der Geschwindigkeit
(Um/min). Damit wären wir bei der Pferdestärke. Nur sie beinhaltet
beide Faktoren und läßt eine wirkliche Aussage über die Leistung
zu. Daß der eine oder andere trotzdem noch behaupten wird, die 50 Kilo
Frau wäre "kräftiger" als die 25er, ist nicht überraschend
und sogar richtig, wenn wir davon ausgehen, daß dieser Begriff verschieden
besetzt ist. Auf jeden Fall hat er, was ein Motorrad betrifft, eine etwas andere
Bedeutung. Und dafür ist die Entdeckung des Hebels verantwortlich. Tatsächlich
wimmelt es in einem Motorrad geradezu von Hebeln. Der Kolben benutzt die
Kurbelwelle als Hebel, alle folgenden Zahn und Kettenräder arbeiten nach
dem Hebelprinzip und auch der Abstand von der Reifenoberfläche zur Mitte
der Hinterradachse ist einer.
Wenn wir nun der zierlichen Frau einen Hebel zur Verfügung
stellen würden, der doppelt so groß ist wie der ihrer Mitbewerberin,
wäre sie damit in der Lage, die gleiche Kraft auszuüben. Und auch
diesmal könnte sie den längeren Weg, den sie dadurch zurücklegen
müßte, durch ihre höhere Geschwindigkeit kompensieren. Für
einen Motor bedeutet das, daß wir die Kraft, die am Hinterrad ankommt,
verdoppeln können, indem wir die Übersetzung halbieren (oder ein paar
Mal zurückschalten).
Nachdem wir nun den Zusammenhang zwischen Drehmoment und Leistung
hoffentlich einigermaßen geklärt haben, ist die Ursprungsfrage immer
noch nicht beantwortet. Wie verhält es sich mit dem Durchzug? Dazu eine
Grafik. Nehmen wir als Beispiel eine Yamaha MT 01. Ein bärenstarker
Vau-Zwo, langhubig, 1670 Kubik, gute150 Nm, 90 PS und eine Drehmomentkurve, die
wie der Mount Everest über allem liegt, was selbst eine 180 PS starke
4Zylinder Tausender zustande bringt. Nennen wir diese mal GSXR. (Bevor das
Gemecker losgeht. Die folgenden Kurven entsprechen nicht exakt den Daten dieser
Motorräder. Sie sind aber für diesen Vergleich ausreichend genau)
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Die erste, aber nicht unübliche
Gemeinheit dieser Grafik besteht schonmal darin, daß das Diagramm mit 50Nm
anfängt. Dadurch erscheint die Kurve der MT01 doppelt so hoch wie die der
1000er. Tatsächlich sind es nur (immerhin) ca. 50% |
 | Um
die Kurven vergleichbarer zu machen, schauen wir uns die maximalen Drehzahlen
an. Bei der MT sind es 5200 Um/min, bei der GSXR 13.000 Um/min. Das ist ein Verhältnis
von 1 zu 2,5. Und jetzt erlauben wir uns den Spaß und übersetzen die
GSXR so kurz, daß sie die gleiche Höchstgeschwindigkeit wie die MT
erreicht. Das sieht auf dem Diagramm so aus:
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Eine ziemliche Schlappe für
die MT |
 | Einen
Trumpf hat sie aber noch im Ärmel. Weil die GSXR normalerweise deutlich länger,
nämlich auf ca. 300 Km/h übersetzt ist und sie selbst nur auf ca. 220
Km/h, müssen wir die Kurve der GSXR wieder mit dem Faktor 1,36 (300/220)
runterrechnen:
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Das ist schon knapper,
aber immer noch deutlich. Wir sehen, endgültig desillusioniert, daß
die GSXR wieder gewinnt. Selbst bei niedrigen Geschwindigkeiten hat sie mehr
Kraft |
 | Jetzt
wollen wir nicht auch noch lange nachtreten. Deswegen nur soviel: Unterhalb von
2000 Umdrehungen, läßt es sich in den oberen Gängen mit dem
Vau-Zwei der MT01 wegen heftigen Motorschüttelns nur unschön
beschleunigen. Das entspricht im letzten Gang ca. 85 Km/h. Die GSXR läuft
bei 2000 seidenweich und das bei nur 45 Km/h. Daß die MT auch noch ca. 60
Kilogramm mehr wiegt, ist inzwischen eigentlich schon egal.
Und
nun?
Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich die Gelegenheit, eine
MT01 ausgiebig zu fahren. Vielleicht mußte ich nur alt genug werden,
vielleicht habe ich es auch einfach nicht früh genug versucht - ich habe
selten einen Motor so liebengelernt wie diesen. Auch wenn das schwer nach
abgestandener Fransenjacken-Romantik klingt - diesen kraftvollen, synkopisierten
Beat wird kein Vierzylinder jemals hinbekommen. (Die junge Frau, die ich einmal
mitgenommen habe, hat es übrigens noch wesentlich prägnanter auf den
Punkt gebracht.)
Oder du setzt dich auf eine GSXR 1000, bummelst im
letzten Gang vor dich hin, pfeifst ein Sommerlied und läßt dich, wann
immer dir danach ist, mühelos auf Lichtgeschwindigkeit schieben. Dafür
musst du nicht einmal schalten. Sie schüttelt das einfach so aus dem Ärmel.
Das Universum verengt sich zu einem dünnen Schlauch und die Autos frieren
auf der Straße fest. Wenn dich aber richtig der Hafer sticht, dann
schaltest du vorher ein paar Mal zurück und ziehst die Gänge voll
durch. Ein siegesgewisse Tier wird freudig aufbrüllen und dich dermaßen
vorwärtsreißen, daß dir endgültig Hören und Sehen
vergeht. Und dann gibt es noch die merkwürdigen Typen, die auf Oldtimern
durch den Schwarzwald tuckern, nie jemanden überholen und trotzdem Stein
und Bein schwören, daß sie einen Riesenspaß dabei hätten.
Vergiß alle Zahlen, mach Kinder, fahre das Motorrad, auf dem
du dich wohlfühlst und begegne deiner inneren Mitte. Brommmm.
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